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Klangvolles aus Indonesien

Klingender Wandel

 

Musik in Indonesien als Plattform historischer Entwicklungen und gesellschaftlicher Veränderungen. Die Musikethnologin Vanessa von Gliszczynski gewährt Einblicke in die Thematik.

von Vanessa von Gliszczynski

 

 

Spießgeigen aus Java (Rebab), von der Sinai-Halbinsel (Rabaa'ba) und aus Flores (Reba). Sammlung Weltkulturen Museum; Foto: Wolfgang Günzel

 

 

Es gibt kaum ein Medium, das so wandelbar ist wie Musik: Mit Leichtigkeit werden neue Instrumente, Rhythmen und Melodien in bestehende Genres integriert oder Klangelemente neu kombiniert. Mehr noch: Musikalische Einflüsse spiegeln soziokulturelle Veränderungen wider. Zugleich dient Musik als Medium, lokale und globale Bausteine auf einer abstrakten Ebene zu verhandeln.

 

Das heutige Indonesien ist ein gutes Beispiel dafür. In dem Vielvölkerstaat mit über 300 verschiedenen Ethnien gibt es die unterschiedlichsten Musikstile. Immer wieder wurden und werden externe musikalische Einflüsse integriert. Ab dem frühen 20. Jahrhundert spielte Musik zudem eine wichtige Rolle dabei, eine nationale Identität zu konstruieren – variierten doch die lokalen Kulturen mitunter sehr stark. Im Folgenden werden einige Beispiele aus der Musikgeschichte Indonesiens skizziert.

 

 

Spießgeige Reba mit Bogen. Lamaholot, Flores, Indonesien. Sammlung Weltkulturen Museum; Foto: Wolfgang Günzel

 

Das heutige Indonesien wird musikalisch oft mit den großen Gamelan-Orchestern aus Java und Bali verbunden, die Tanz- und Theateraufführungen begleiten. Unter den vielen Gongs findet sich ein Saiteninstrument, das erst im 15. Jahrhundert seinen Weg in den Archipel fand: die Rebab. Diese Spießgeige kommt in ähnlicher Form in der gesamten arabischen Welt vor. Das Instrument kam über Gewürzhändler nach Südostasien und wurde – angepasst an lokale Materialien und Tonalitäten - schnell sehr beliebt. Heute zählt die Rebab als einziges Streichinstrument im Gamelan zu den »typisch indonesischen« Instrumenten. Ganz ähnlich ist es mit der Gambus-Laute, in Europa besser bekannt als Oud. Sie kam vermutlich schon im 8. Jahrhundert aus dem Jemen in den malaiischen Archipel. Die Gambus-Musik ist anders als die Rebab bis heute stark an eine malaiisch-islamische Identität geknüpft.

 

 

Gambus-Laute mit Drachenkopf. Palembang, Südsumatra, Indonesien. Sammlung Weltkulturen Museum; Foto: Wolfgang Günzel

 

 

Neben diesen eher »traditionellen« Musikstilen nahm auch die Popularmusik Indonesiens immer wieder neue Einflüsse auf. Der Dangdut – ein Schlagergenre, das seit den 1970er Jahren sehr beliebt ist - vereint verschiedene musikalische Einflüsse aus Indonesien, aus der arabischen, indischen und europäischen Welt. Gesungen wird in der Nationalsprache Bahasa Indonesia, v. a. über Liebe, Herzschmerz und Alltagsgeschichten. Charakteristisch ist ein durch das frühe Bollywood - Kino beeinflusster Tabla-Rhythmus, dem das Genre seinen lautmalerischen Namen »Dang-Dut« verdankt. Dieser Einfluss führte in der Musikethnologie zu einer Diskussion, ob Dangdut eigentlich »authentisch indonesisch« sei. Allerdings gibt es in Indien kein vergleichbares Genre und die Theorie verkennt den Einfluss anderer Elemente u.a. aus der Gambus oder später der Rockmusik. Dangdut ist ein Konglomerat verschiedener musikalischer Einflüsse, das zu etwas »typisch indonesischem« wurde, weil die Indonesier:innen selbst es dazu machten. Interessant ist dabei, dass die Kulturpolitik des 1945 gegründeten Staates viel zur Entwicklung des Dangduts beitrug. Bis Mitte der 1960er Jahre lehnte Präsident Sukarno westliche Kultureinflüsse ab und förderte das Singen auf Indonesisch oder in lokalen Sprachen. Unter Suharto, ab den späten 1960ern, öffnete sich der Inselstaat dem Westen und der Dangdut wurde rockiger – und auf Bahasa Indonesia gesungen zur Nationalmusik.  So wurde im Dangdut das Verhältnis zwischen Indonesien, seinen lokalen Kulturen und »dem Westen« akustisch verhandelt und gewandelt – sozusagen »glokalisiert«.

 

Band Karinding Keos; Foto Ardyan Hariri

 

Auch heute gibt es immer wieder solche musikalischen Aushandlungsprozesse. Während es im ausgehenden 20. Jahrhundert wichtig war, mit einer nationalen Popularmusik ein Einheitsgefühl zu schaffen, scheinen jetzt distinkte lokale Kulturen wieder wichtiger zu werden. Die Band Karinding Keos aus Bandung in Westjava – dem Zentrum der sundanesischen Kultur - macht »Bambus-Metal«. In der sundanesischen Musik werden traditionell viele Bambusinstrumente wie Zithern (celempung) und Maultrommeln (karinding) verwendet. Gleichzeitig hat Bandung aber auch eine große Metal-Szene. In den letzten Jahren begannen viele Bands aus der Region, mehr »traditionelle« Elemente in ihre Musik einfließen zu lassen. Karinding Keos verwendet fast nur Bambusinstrumente und singt auf Indonesisch und Sundanesisch. Die gesamte Ästhetik orientiert sich dabei am Metal. Die Band ist damit in Bandung, aber auch darüber hinaus sehr erfolgreich.

 

Diese Schlaglichter auf die indonesische Musikgeschichte zeigen, wie Musik sich kontinuierlich wandelt. Neue Elemente werden ausprobiert und Identitäten und Positionen musikalisch verhandelt. Je nach Bedarf werden »traditionelle«, lokale oder globale Faktoren stärker gewichtet. Wenn aber Transformation ein grundlegendes Element der Musik ist, dann kann es keine »authentische« Musik geben. Oder besser: Authentizität basiert nicht auf der »ursprünglichen« Herkunft eines Instrumentes oder eines Klangelementes. Authentizität wird konstruiert und bestimmt durch die Menschen, die diese Musik machen und konsumieren. Sie formen »ihr« Musikgenre durch ihre Beziehung zur Musik. So spiegelt der Wandel eines Musikgenres auch immer gesellschaftliche Diskussionen und Transformationen wider – und das nicht nur in Indonesien.

 

Der Beitrag ist das erste Mal in der Ausgabe »Transformation« der Weltkulturen News erschienen, einem Medium des Weltkulturen Museums.

 

 

 


Hinweise der Redaktion 

 

 

Beispiele aus der Musikgeschichte Indonesiens | Einige der im Beitrag erwähnten Beispiele waren auch in der Ausstellung »Weltenbewegend. Migration macht Geschichten« zu sehen, die vom 24.10.2019 bis zum 31.01.2021 im Weltkulturen Museum gezeigt wurde.

 

Band Karinding Keos | Mehr Hörbares über die 2009 gegründete Band unter Karinding Keos Official auf YouTubeDie Band sollte ursprünglich im Sommer 2020 auf Europatournee gehen, und in diesem Rahmen unter anderem auch nach Frankfurt ins Weltkulturen Museum kommen. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und nachfolgenden weltweiten Einschränkungen im Reiseverkehr kam es jedoch nicht dazu. 

Ein weiterer Hinweis zur Karinding-Musik: Auch die Band Karinding Attack, 2009 gegründet, hat sich einem mystisch und spirituell klingenden Bambus-Metall verschrieben. Sie fördern die sundanesische Musikkultur mit eigenen Bambusinstrumenten und ihrer besonderen Art die Karinding mit Xylophonen, Percussions und dunklen Vocals zu spielen. Die Band war bereits 2017 im Rahmen des Europalia Arts Festivals auf Tournee in Europa und machte auch Halt in Berlin. Mehr Hörbares auch unter Karinding Attack Official auf YouTube.

 

 

 

Indonesien Magazin Online

 

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